Fotokünstler entdecken Forst

Die Entwicklung der Stadt Forst (Lausitz) zu einem Zentrum der deutschen Textilindustrie im vergangenen Jahrhundert prägte auch die Architektur in der Stadt maßgeblich. Viele Industrieobjekte zeugen noch heute von dieser Zeit, in der man Forst (L.) als das „Manchester des Ostens“ bezeichnete. Im Laufe der Jahrzehnte verwandelten sich die ehemaligen Industrieobjekte in zum Teil mystische oder verwunschen wirkende Orte.
Eine Projektgruppe um Chris und Dirk Ruhbach überlegte sich, wie man ausgewählte stadtbildprägende Gebäude über die Stadtgrenzen hinaus bekannt und sichtbar machen kann. Zu den „1. Forster IndustrieFotoTagen“ am ersten Juli-Wochenende wurden nun Fotografen, Models und Modedesigner eingeladen, die zwei Tage lang fünf dieser Objekte mit Leben füllten. Individuelle Handschriften der Teilnehmer, die u.a. aus Cottbus, Berlin, Hamburg oder Leipzig anreisten, setzten dabei alte Industriekultur neu in Szene.

Gefördert wurde das gesamte Projekt mit Mitteln aus dem Lokalen Aktionsfonds der Stadt Forst (Lausitz) im Bund-Land-Programm „Sozialer Zusammenhalt“ sowie der FAG-Förderung des Landkreises Spree-Neiße.

Neben dem Forster Wasserturm, dem Heizwerk Avellis in der Inselstraße sowie den ehemaligen Textilfabriken Adolf Noack und Hermann Bergami in der Planckstraße wurde auch die Stadtkirche St. Nikolai von den Fotografen erobert. Hier sollte in Reminiszenz an Graf Heinrich von Brühl, der im 18. Jahrhundert als Forster Lehnherr den Anstoß zum Aufblühen des Forster Textilhandwerkes gab und in der Kirche seine letzte Ruhestätte fand, das Thema Barock aufgegriffen werden. Partner fanden die Organisatoren beim Karnevalsverein Forst-Sacro 1979, der neben barocken Kostümen auch noch fünf Damen als Models zur Verfügung stellte. Auch die beiden Pfarrer Tobias Jachmann und Simon Klaas von der Evangelischen Gesamtkirchengemeinde schlüpften in historische Kostüme.

In der Kulisse des Avellis-Heizwerks wurde es endzeitlich. Künstliche Nebelschwaden verdüsterten das ohnehin schon dunkle Innere des Gebäudes und sorgten für eine apokalyptische Stimmung. Zwischen den Schächten, Kesseln und Rohren posierten Models mit furchteinflössenden Blicken, in spärlicher Kleidung und mit ungewöhnlichen Requisiten.

Der Forster Wasserturm bot das passende Ambiente für das Thema „Steampunk“. Im Keller sowie auf der Galerie unterhalb des Wassertanks standen Mitglieder der Lausitzer Steampunk-Szene den Fotografen Modell.

Das Gelände zwischen dem Mühlgraben und den beiden ehemaligen Textilfabriken Noack und Bergami bot sich als Außen-Set für das Thema „Fantasy“ an – Elfen und Feen waren hier anzutreffen. Im Inneren der Fabriken wurden zeitgleich Kollektionen des Cottbuser „Atelier Trotzdem“ der Designerin Mary Krahe in Szene gesetzt.

 

„Die zweitägige Veranstaltung war ein überaus erfolgreicher Testballon gewesen für zukünftige Projekte.“, sagt Heiner Stephan, einer der teilnehmenden Fotografen und gleichzeitig auch Mitorganisator. Die Resonanz der anwesenden Fotografen sei positiv gewesen, trotz der schwierigen Bedingungen, unter denen die Fototage stattfanden. So wurde in diesem Jahr bewußt auf Publikum verzichtet, um die Teilnehmerzahlen wegen der Hygienevorgaben niedrig zu halten. Auf die ursprünglich geplanten öffentlichen Workshops wurde ebenfalls verzichtet.

Doch nicht nur die Fotografen, auch die Models waren von den bereitgestellten Kulissen begeistert. „Durch einen Hinweis unseres männlichen Models Manuel kam der Kontakt zu Tine aus Hamburg zustande. Damit haben wir auch unsere Finger ausgestreckt in die alten Bundesländern, was wir ja für Forst erreichen wollten.“, so Heiner Stephan. „Die Kulissen hier sind mega cool“, schwärmt das Hamburger Fotomodel Tine Stegelmann. „Bei uns sind solche Objekte meist nicht zugänglich. Und wir haben nicht so viele leerstehende Fabriken.“ Was sich einerseits für die Kommune mit den Hinterlassenschaften der industriellen Textilproduktion als Problem darstellt, entpuppt sich für Kreative als ideale Spielwiese für neue Ideen.

Schon jetzt gibt es bei den Organisatoren Überlegungen für eine Neuauflage im nächsten Jahr. Dann sollen die Themen „Forster Textilindustrie“ und „Mode“ im Vordergrund stehen – auch an neuen Standorten und mit weiteren Partnern.